Staatskanzlei

Kabinett verabschiedet Bundesratsinitiative zur
Abschaffung des Flughafenasylverfahrens

veröffentlicht am 10.07.2012

Zur Abschaffung des so genannten Flughafenasylverfahrens schaltet Brandenburg jetzt den Bundesrat ein. Das Kabinett beschloss am Dienstag in Potsdam eine entsprechende Initiative, die gemeinsam mit Rheinland-Pfalz gestartet wird. Darin wird die Bundesregierung aufgefordert, das Verfahren auslaufen zu lassen. Alle Antragsteller würden dann das reguläre Asylverfahren durchlaufen und dafür zunächst in den allgemeinen zentralen Aufnahmeeinrichtungen der jeweiligen Bundesländer untergebracht, für Brandenburg ist das Eisenhüttenstadt. Innenminister Dietmar Woidke sagte: „Mit der Bundesratsinitiative erfüllen wir einen Auftrag des Landtages. Wir tragen die Angelegenheit dorthin, wo sie hingehört. Das Asylverfahrensgesetz kann nur durch den Bundesgesetzgeber geändert werden. Wir werden das in unserer Macht Stehende tun, um den Bund in diesem Punkt zum Umdenken zu bringen. Dabei setzen wir sowohl auf die Unterstützung weiterer Bundesländer als auch auf den direkten Kontakt mit den zuständigen Stellen auf Bundesebene. Neben allgemeinen rechtspolitischen Bedenken stellt sich wegen rückläufiger Fallzahlen in den vergangenen Jahren zunehmend die Frage, ob der mit dem Flughafenasylverfahren verbundene besondere Aufwand noch zu rechtfertigen ist.“ Woidke verwies zugleich darauf, dass Brandenburg seit 2001 mehrere, wenngleich erfolglose Versuche beim Bund mit dem Ziel unternahm, den Standort Schönefeld angesichts äußerst geringer Fallzahlen aus dem Flughafenasylverfahren herausnehmen zu lassen. Mit Blick auf die aktuelle Diskussion stellte der Minister jedoch klar, dass Brandenburg solange verpflichtet ist, für eine angemessene Unterbringung von Asylsuchenden im Flughafenverfahren zu sorgen, wie dies geltendes Bundesrecht sei. Das Verfahren wurde 1993 im Zusammenhang mit dem seinerzeitigen so genannten Asylkompromiss eingeführt, um die damals hohe Zahl von rund 440.000 Asylsuchenden zu bewältigen. Es gilt für Ausländer aus sicheren Herkunftsstaaten sowie für Antragsteller ohne Pass oder Passersatzpapiere, die über einen Flughafen einreisen wollen und bei der Grenzbehörde um Asyl nachsuchen. Das Asylverfahren wird in solchen Fällen vor der Einreise im Transitbereich des jeweiligen Flughafens durchgeführt und muss innerhalb einer Frist von zwei Tagen nach der sofortigen Anhörung abgeschlossen sein können. Einschließlich eines möglichen Rechtsschutzverfahrens muss der Fall binnen 19 Tagen bestandskräftig beendet werden können. Ist das nicht möglich, müssen die Antragsteller in das allgemeine Asylverfahren aufgenommen werden. Das Verfahren war bereits bei seiner Einführung rechtspolitisch umstritten. Die Kritik entzündete sich dabei unter anderem an seiner Kürze. Die Zahl der Fälle, die noch im Flughafenbereich rechtskräftig abgeschlossen wurden, hat sich in den vergangenen Jahren bundesweit deutlich verringert. Wurden im Jahr 2000 noch in 416 von 1.092 Fällen endgültige Entscheidungen getroffen, geschah dies 2010 nur noch in 57 von 735 Fällen. In der inzwischen aufgegebenen Aufenthaltseinrichtung für das Asylverfahren am Flughafen Berlin-Schönefeld waren im vergangenen Jahr elf Personen für zumeist zwei bis drei Tage untergebracht. Das für die Durchführung der Asylverfahren zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) geht aber davon aus, dass es am neuen Flughafen „Willy Brandt“ zu jährlich bis zu 300 Fällen von Flughafenasylverfahren kommen könnte. Entsprechend war Brandenburg als zuständiges Land verpflichtet, eine ausreichend große Unterbringungseinrichtung zu unterhalten. Anlage Antrag der Länder Brandenburg und Rheinland-Pfalz Entschließung des Bundesrates zur Abschaffung des Flughafenasylverfahrens nach § 18 a AsylVfG Der Bundesrat möge beschließen: Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, schnellstmöglich einen Gesetzentwurf einzubringen, mit dem das Flughafenasylverfahren nach § 18 a des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) abgeschafft wird, so dass alle ankommenden Ausländer, die bei der Grenzbehörde am Flughafen um Asyl nachsuchen, einreisen und das reguläre Asylverfahren durchlaufen dürfen. Begründung: Das Flughafenasylverfahren nach § 18 a AsylVfG gilt für Ausländer aus sicheren Herkunftsstaaten sowie für solche ohne Pass oder Passersatz, die über einen Flughafen einreisen wollen und bei der Grenzbehörde um Asyl nachsuchen. Das Asylverfahren wird in diesen Fällen vor der Einreise im Transitbereich des Flughafens durchgeführt und muss innerhalb einer Frist von zwei Tagen seit der unverzüglich durchzuführenden Anhörung durch eine positive Entscheidung oder durch eine Ablehnung des Antrags als „offensichtlich unbegründet“ abgeschlossen werden können. Einschließlich eines sich ggf. anschließenden Rechtsschutzverfahrens muss es innerhalb von 19 Tagen bestandskräftig abgeschlossen werden können. Die Vorschrift, die die schnelle Rückführung im Falle negativer Asylentscheidungen ermöglichen soll, wurde im Zusammenhang mit dem sog. Asylkompromiss im Jahr 1993 eingefügt, um die damals hohe Zahl von Asylsuchenden (ca. 440.000 Personen im Jahr 1992) zu bewältigen und war bereits bei ihrer Einführung rechtspolitisch umstritten. Die Kritik an der Qualität der in der Kürze der zur Verfügung stehenden Fristen getroffenen Asylentscheidungen und an der tage- bis wochenlangen Unterbringung auf begrenztem Raum innerhalb des Flughafengeländes ist seither nie abgerissen und hat in jüngster Zeit vor dem Hintergrund der bevorstehenden Inbetriebnahme des Flughafens Berlin Brandenburg International als einzigem internationalen Flughafen der Region und der in dessen Folge vom Bund prognostizierten Zunahme von Flughafenverfahren neuen Auftrieb erhalten. So wendet z.B. der UNHCR-Vertreter für Deutschland gegen das Verfahren ein, dass die Anhörungen nicht immer angemessen vorbereitet werden könnten, dass ein Anwalt in der Regel erst nach der Anhörung kontaktiert werden könne und dass die kurzen Rechtsmittelfristen eine sorgfältige Vorbereitung beeinträchtigen würden. Für die Behandlung der Schutzgesuche von unbegleiteten Kindern und von traumatisierten Personen sei das Verfahren in besonderem Maße ungeeignet. Ferner hat sich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) bereits mehrfach kritisch mit der Frage auseinandergesetzt, ob und inwieweit in Asylschnellverfahren effektiver Rechtsschutz gewährleistet ist. Nach der Statistik des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge nutzen Asylsuchende bei der Einreise auf dem Luftweg bisher nahezu ausschließlich den Flughafen Frankfurt. Die dortigen Zahlen sind deutlich rückläufig: Wurden noch im Jahr 2000 von 1.092 zunächst an der Einreise gehinderten Personen in 416 Fällen tatsächlich Entscheidungen im Flughafenverfahren getroffen, war dies im Jahr 2009 noch in 66 von 435 Fällen, schließlich im Jahr 2010 nur noch in 57 von 735 Fällen der Fall; in 565 Fällen wurde die Einreise gestattet, weil das Bundesamt über den Asylantrag nicht kurzfristig entscheiden konnte. Angesichts dessen stellt sich die Frage, ob diese geringen Fallzahlen den Aufwand für die Durchführung des Verfahrens auf dem Flughafengelände und für den Weiterbetrieb spezieller Asylunterkünfte an den betroffenen Flughäfen auch vor dem Hintergrund der andauernden Kritik am Flughafenverfahren noch rechtfertigen können. Der Bundesrat bittet deshalb die Bundesregierung, mit dem Ziel der Abschaffung des Flughafenverfahrens eine entsprechende Änderung des Asylverfahrensgesetzes im Bundestag einzubringen.