Staatskanzlei

Bürokratie systematisch abbauen: Woidke im Austausch mit Spitzen der Wirtschaft – Sonderausschuss im Parlament vorgesehen

veröffentlicht am 14.08.2024

Landesregierung und Wirtschaft setzen sich gemeinsam für einen entschlossenen und systematischen Abbau von unnötiger und belastender Bürokratie ein. Das haben beide Seiten heute bei einem Spitzengespräch in der Potsdamer Staatskanzlei bekräftigt. Ministerpräsident Dr. Dietmar Woidke dankte der Wirtschaft für den umfassenden Katalog zum Bürokratieabbau, der teilweise eine Richtschnur für das weitere Vorgehen werden könne. An dem Gespräch mit Vertreterinnen und Vertretern der Industrie- und Handelskammern (IHK), der Handwerkskammern (HWK) und der Vereinigung der Unternehmensverbände in Berlin und Brandenburg e.V. (UVB) nahmen auch Wirtschaftsminister Prof. Dr.-Ing. Jörg Steinbach und Baustaatssekretär Uwe Schüler teil.

Woidke sagte im Anschluss: „Die Bürokratiebelastung muss gesenkt werden. Sie bremst Unternehmen und Verwaltungen von Land und Kommunen gleichermaßen. Durch Bürokratieabbau gewinnen also alle Seiten. Ich habe deshalb vorgeschlagen, dass der neue Brandenburger Landtag, der im September gewählt wird, einen Sonderausschuss zum Abbau von Normen und Standards einsetzt. Er soll vor allem die Gesetze und Verordnungen unter die Lupe nehmen, die aus Sicht der Betroffenen diese über Gebühr belasten. Dazu sollte sich der Sonderausschuss eng mit Land, Kommunen, Handwerk und Industrie abstimmen.“

Kammern und UVB hatten im März einen Katalog mit etwa 40 Vorschlägen zum Bürokratieabbau vorgestellt, um Aufwand und Kosten der Betriebe zu senken sowie Planungs- und Genehmigungsverfahren zu beschleunigen. Damit soll eine nachhaltige Dynamik für den Investitionsstandort Brandenburg erreicht werden.

Woidke bezeichnete Kammern und Verbände als unverzichtbaren Ratgeber und unterstrich: „Ihre konstruktiven Vorschläge aus der Praxis zeigen, dass Bürokratieabbau einen tiefen Bewusstseinswandel braucht und zugleich eine dauerhafte Aufgabe ist. Es wird nicht in wenigen Wochen oder Monaten gelingen, die über Jahre aufgebaute, teilweise ausufernde Bürokratie auszulichten. Wir müssen systematisch ran, wir brauchen strukturelle Veränderungen. Dazu brauchen wir eine Instanz. Daher mein Vorschlag, einen Sonderausschuss zu gründen. Dort können Parlament, Landesregierung und Verbände gemeinsam bürokratische Hemmnisse aufdecken und direkt gesetzgeberisch tätig werden, um diese zu beseitigen.“

Ziel ist nach den Worten von Woidke, dass sich die Unternehmen voll auf ihr eigentliches Geschäft und ihre Beschäftigten konzentrieren können statt sich zu viel mit Formularen und Regulierungen befassen zu müssen. Woidke ergänzte: „Zur Wahrheit gehört aber auch, dass der Großteil der Vorschriften und Anforderungen nicht auf Landes-, sondern auf Bundes- oder EU-Ebene geregelt ist. Daher müssen wir auch auf diesen Ebenen Druck machen.“

Zu den Vorschlägen aus der Wirtschaft gehören die konsequente Digitalisierung z. B. bei Gewerbeanmeldungen, bei Förderanträgen und der Meistergründungsprämie sowie Lockerungen im Brandenburger Vergaberecht (Erhöhung der Wertgrenzen), Vereinfachung der Weiterbildungsrichtlinie (z. B. durch Verzicht auf aufwändige Sachberichte), Abschaffung von Doppelmeldungen an Behörden. Die Komplexität von Regelungen, Formularen, Bescheiden und amtlichen Schreiben soll reduziert werden. Die Verfahren bei Ausländerbehörden für die Arbeitserlaubnis von ausländischen Arbeits- und Fachkräften soll deutlich verkürzt werden, um sie für den Arbeitsmarkt zu gewinnen und zugleich deren Integration zu verbessern. Mit der Nachnutzung des Wirtschafts-Service-Portals aus NRW sollen mehr als 80 wirtschaftsnahe Online-Dienste in Brandenburg zur Verfügung gestellt und so der Verwaltungsdigitalisierung ein großer Schub verpasst werden. Vorbehaltlich der Haushaltsverhandlungen wird das Land Brandenburg für die Kommunen und für die Kammern die Finanzierung übernehmen.

Zur Vergabe öffentlicher Auftrage arbeitet die Bundesregierung bereits an einer Novelle des Vergaberechts. Dazu sind rund 400 Vorschläge eingegangen. Wirtschaftsminister Steinbach: „Unsere Landeshaushaltsordnung ist so konzipiert, dass sich Erleichterungen im Bundesrecht kurzfristig positiv in Brandenburg auswirken werden.“ Um Genehmigungsverfahren zu beschleunigen, wurde das Personal im Landesbergamt in den Jahren 2023/24 um rund 30 Stellen erweitert. Steinbach: „Dadurch können wir den Genehmigungsstau zum Beispiel bei Stromleitungen und Pipelines abbauen.“

In dieser Legislatur wurde die Brandenburger Bauordnung zweimal umfassend novelliert. Dadurch wurden in vereinfachten Genehmigungsverfahren eine Genehmigungsfiktion eingeführt, der Ausbau und die Nutzungsänderung von Dachgeschossen sowie die Installationen von Wärmepumpen, Fassadendämmungen und Solaranlagen erleichtert und ein Bauvorlagerecht für Handwerksmeister eingeführt. Derzeit wird die digitale Verfahrensführung von Bauleitplanverfahren entwickelt; in den ersten Landkreisen ist der digitale Bauantrag online gegangen. Weitere Landkreise werden schrittweise nachziehen, so dass vorrausichtlich im kommenden Jahr das digitale Bauamt in allen Brandenburger Bauaufsichtsbehörden angeboten werden kann.

Baustaatssekretär Uwe Schüler betonte: „One in, one out ist für die Erteilung der Baugenehmigungen in Brandenburg zum Standard geworden. Das heißt, ich gebe den Antrag an einer Stelle ab und erhalte die Genehmigung von dieser Stelle zurück. Darüber hinaus sind weitere Erleichterungen für Bauvorhaben geplant. So wird aktuell geprüft, ob auf die Stellplatzpflicht für den Wohnungsbau verzichtet werden kann.“

Für die Beschleunigung von Verfahren, gerade im Bereich Bauen und Verkehrsinfrastruktur, ist der Pakt für Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung des Bundes maßgeblich. Brandenburg bringt dort Ideen ein. Auf Bundesebene hat Brandenburg in Abstimmung mit Berlin mit seiner Bundesratsinitiative für ein Klimaschutzbeschleunigungsgesetz Schiene dafür gesorgt, dass im Zuge des Bund-Länder-Paktes der Instanzenzug für schienenbezogene Planfeststellungsverfahren beim Bundesverwaltungsgericht gebündelt und ein überragendes öffentliches Interesse für den Schienenausbau festgeschrieben werden wird.

Ina Hänsel, Präsidentin der IHK Potsdam und Vorsitzende der Landesarbeitsgemeinschaft der Brandenburger Industrie- und Handelskammern, sagte: „Für die Brandenburger Wirtschaft entwickelt sich Bürokratie immer mehr zum Investitionshemmnis und damit zu einem echten Standortnachteil. Regelmäßige Befragungen unserer Mitgliedsunternehmen machen deutlich: Unsere Wirtschaft braucht eine schnelle Bearbeitung von Genehmigungsverfahren. Das betrifft jegliches Verwaltungshandeln von Bau bis Umwelt. Wir erwarten eine Durchdigitalisierung der Verwaltungsprozesse. Das bedeutet auch eine leichte Beantragung und Abrechnung von Fördermitteln ohne Medienbrüche – inklusive aller notwendigen Stellungnahmen. Die Empfehlung der Expertenkommission zur Vereinfachung des Förderwesens sollte in jedem Fall einen konkreten Umsetzungsplan mit konkreten terminlichen Zielsetzungen enthalten.“

Robert Wüst, Präsident des Handwerkskammertages Land Brandenburg, betonte: „Die brandenburgische Politik muss beim Bürokratieabbau endlich ernst machen. Vorschläge dafür hat das Handwerk vorgelegt. Die Anforderungen haben längst ein Ausmaß erreicht, das für unsere Betriebe nicht mehr umsetzbar ist. Der Frust ist groß: Statt weniger Regularien haben die meisten Betriebe den Eindruck, dass der Verwaltungsaufwand ständig steigt. Handwerker wollen auf Baustellen oder in Werkstätten für ihre Kunden arbeiten und nicht permanent Formulare ausfüllen. Deshalb ist endlich ein Umdenken nötig. Sonst werden unsere Handwerksbetriebe von der Bürokratie erdrückt und junge Meisterinnen und Meister vom Weg in die Selbstständigkeit abgehalten.“

Alexander Schirp, UVB-Hauptgeschäftsführer unterstrich: „Ein nachhaltiger Bürokratieabbau in Brandenburg braucht unabhängige Strukturen, klare Aufgaben und ambitionierte Ziele: einen Normenkontrollrat nach nationalem Vorbild, einen Praxis- und Digitalcheck bereits im Gesetzgebungsverfahren und die Halbierung der Bürokratiekosten durch die „One In/ Two Out“-Regel. Darüber hinaus muss Brandenburg seine Verpflichtungen aus dem Bund-Länder-Pakt zur Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung zügig umsetzen.“

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