Verfassung des Landes Brandenburg
Zwischen Herbst 1989, der Zeit des Mauerfalls, und den ersten freien Volkskammerwahlen im März 1990 erlebte Brandenburg eine ereignisreiche Zeit des demokratischen Umbruchs. Rasch wurde die Forderung nach Wiederherstellung eines eigenständigen Landes Brandenburg laut. Am 22. Juli 1990 verabschiedete die erste, im März frei gewählte Volkskammer der DDR das Ländereinführungsgesetz, mit dessen Umsetzung das Land Brandenburg am 03. Oktober 1990 im Zuge der deutschen Wiedervereinigung wieder errichtet wurde.
Rund anderthalb Jahre später, am 14. Juni 1992 entschieden sich die Bürger Brandenburgs in einer Volksabstimmung für den Entwurf der neuen Brandenburger Landesverfassung, den der Landtag am 14. April 1992 mit überwältigender Mehrheit gebilligt hatte. Somit konnte die Landesverfassung am 20. August 1992 vom Landtagspräsidenten unterzeichnet werden. Sie trat am nächsten Tag in Kraft. Der mit der friedlichen Revolution in der DDR Ende 1989 begonnene Prozess der Errichtung erneuerter Landesstaatlichkeit in Brandenburg fand damit seinen verfassungsrechtlichen Abschluss.
Als Verfassung wird allgemein die Grundordnung des politischen Gemeinwesens bezeichnet. Neben der Organisation des Staatsaufbaus und der Kompetenzen der Staatsgewalten untereinander sind in ihr auch die wichtigsten Rechte und Pflichten zwischen Staat und Bürgern festgehalten. Die Brandenburger Verfassung war die erste Vollverfassung in einem deutschen Bundesland seit 1949. Sie orientiert sich unter anderem an der demokratischen Tradition Preußens, an der Verfassung Brandenburgs vom Februar 1947 und an der Verfassung Schleswig-Holsteins, denn parallel zur Verfassungsentwicklung in den fünf neuen Bundesländern kam es dort 1990 zu einer Verfassungserneuerung. Großen Einfluss hatte außerdem der Verfassungsentwurf des Zentralen Runden Tisches, der unter den Eindrücken der friedlichen Revolution entstand und zunächst für eine grundsanierte, demokratischere DDR gedacht war. Die Verfassung des Landes Brandenburg entstand somit unter starker Bürgerbeteiligung „von unten nach oben“, was durchaus bemerkenswert ist.
Inhalte und Besonderheiten
In der Präambel der Landesverfassung Brandenburgs wird hervorgehoben, dass sich das Land als „lebendiges Glied der Bundesrepublik Deutschland in einem sich einigenden Europa und in der einen Welt“ versteht.
Die Brandenburger Verfassung enthält einen umfangreichen Katalog politischer und sozialer Grundrechte (Art. 7-20). Beabsichtigt war, die Bürger davor beschützen, erneut – wie zu DDR-Zeiten – einem übermächtigen und vormundschaftlichen Staat ausgeliefert zu sein. Es sind daher zahlreiche Grundrechte über diejenigen des Grundgesetzes hinausgehend, als Menschenrechte deklariert. Auch ist Brandenburg das einzige der fünf neuen Bundesländer, das seiner Bevölkerung eine Auflösung des Landtags per Volksbegehren und Volksentscheid erlaubt.
Als weitere Besonderheit in der Brandenburgischen Verfassung sind die Rechte und die nationale Identität der Wenden und Sorben als anerkannte nationale Minderheit besonders geschützt (etwa durch Aufhebung der 5%-Hürde für sorbische Parteien). Toleranz beweist die Verfassung durch die Anerkennung von Lebensgemeinschaften und der sexuellen Identität sowie durch eine Befürwortung des Ausländerwahlrechts.
Die Brandenburgische Verfassung ist das Ergebnis parteiübergreifender Konsense, in komplexen Diskussionen und Kompromissfindungsprozessen herbeigeführt. In den Medien damals als „Potsdamer Allparteienkonsens“ zitiert, ein Bespiel dafür, dass politische Zusammenarbeit möglich ist, auch wenn unterschiedliche Meinungen vorliegen. Die fünf unterschiedlichen Fraktionen waren nicht mit allen Punkten der Verfassung einverstanden, konnten sich aber mit den Kompromisslösungen arrangieren. Und jede konnte auf eigene Einflüsse verweisen.
Die moderne Verfassung des Landes Brandenburg hat den Anforderungen der Gegenwart bisher erfolgreich standgehalten und feiert 2017 bereits ihr 25jähriges Jubiläum.