Staatskanzlei

Anstieg antisemitischer Taten – Fachstelle Antisemitismus stellt Monitoringbericht für 2023 vor

Haase: „Zusammenarbeit, Vertrauen und ein klares Bekenntnis zu jüdischem Leben“

veröffentlicht am 17.07.2024

Durchschnittlich mehr als eine Tat pro Tag: Die Fachstelle Antisemitismus Brandenburg (fab) hat im Jahr 2023 insgesamt 377 antisemitische Vorfälle dokumentiert. Das ist ein Zuwachs von 173 gegenüber 2022 – der jetzige Bericht greift allerdings nun auch auf eine deutlich breitere Datenbasis zurück. Die Ergebnisse des Monitoring-Berichts 2023 wurden heute bei einer Pressekonferenz in der Potsdamer Staatskanzlei vorgestellt. Dabei betonte die Bevollmächtigte des Landes beim Bund, Staatssekretärin Dr. Friederike Haase: „Der Anstieg der Vorfälle zeigt eindeutig: Nie wieder ist jetzt! Wir müssen Betroffene stärken, ihnen eine Stimme geben und allen, die für eine offene und vielfältige Gesellschaft einstehen, den Rücken stärken.“

Haase weiter: „Brandenburg hat früh Verantwortung bei der Bekämpfung des Antisemitismus übernommen. Mit dem von der Landesregierung erarbeiteten Handlungskonzept gegen Antisemitismus und der Wahl eines Antisemitismusbeauftragten durch den Landtag wurde die Arbeit in diesem Jahr auf ein noch breiteres Fundament gestellt. Die Zusammenarbeit von Staat und Zivilgesellschaft auf Augenhöhe bewährt sich auch in der Antisemitismusprävention. Unsere demokratischen Strukturen und Werte geraten von rechts, aber auch durch radikalisierten Islamismus unter Druck. Ganz besonders in diesen Zeiten müssen sich Jüdinnen und Juden in Deutschland, in Brandenburg sicher fühlen können.“

Der Monitoringbericht enthält neben Meldungen, die direkt bei der Fachstelle eingegangen sind, und den Meldungen aus der PMK-Statistik 2023 (politisch motivierte Kriminalität) nunmehr auch Meldungen weiterer Akteure, etwa der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten und der Beauftragten gegen Antisemitismus des Landesverbandes der jüdischen Gemeinden Land Brandenburg. Antisemitische Vorfälle an Schulen fließen dieses Jahr ebenso in die Statistik ein. Im Vergleich zum Vorjahr kam es bei den Erscheinungsformen teilweise zu deutlichen Verschiebungen, insbesondere beim modernen Antisemitismus und dem israelbezogenen Antisemitismus. Nach wie vor stellt der Post-Shoah-Antisemitismus, z.B. die Leugnung oder Relativierung des Holocaust, mit 39,2 Prozent die am häufigsten verzeichnete antisemitische Erscheinungsform dar (2022: 55 Prozent). Der moderne Antisemitismus ist von 9,9 Prozent in 2022 auf 34,8 Prozent; der israelbezogene Antisemitismus von 0,0 Prozent im Vorjahr auf 11,0 Prozent gestiegen.

Für 2023 wurden drei Fälle extremer Gewalt registriert (2022 keiner). 1,5 Prozent aller Vorfälle sind der Kategorie Angriffe und 14,5 Prozent der Kategorie Bedrohungen zuzuordnen. Vorfälle mit verletzendem Verhalten machen mit 69,8 Prozent den größten Teil der Taten aus. Sowohl Vorfälle gegen Personen als auch „Propagandavorfälle“ haben massiv zugenommen.

Gut ein Drittel (35,5 Prozent) aller im Jahr 2023 dokumentierten antisemitischen Vorfälle und Straftaten (2022: 48 Prozent) haben einen rechtsextremen/rechtspopulistischen Hintergrund. Der Anteil mit islamischen/islamistischen Hintergrund liegt bei 4,5 Prozent (entspricht 16 Fällen), so der Bericht. Mit 56,2 Prozent sind die Vorfälle, bei denen kein eindeutiger politischer/weltanschaulicher Hintergrund festgestellt werden konnte, die größte Kategorie. Die meisten antisemitischen Vorfälle fanden wie auch schon im Jahr 2022 online statt (35,3 Prozent).

Dervis Hizarci, Vorstandsvorsitzender der Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus e.V. (KIgA), betonte: „Unsere Befürchtungen haben sich durch den dramatischen Anstieg der Zahlen bestätigt: Antisemitismus zeigt sich in jeder Form und überall in Brandenburg! Das muss für uns alle ein Weckruf sein! Wir müssen alles dafür tun, dass die Sicherheit von Jüdinnen und Juden gewährleistet ist. Brandenburg hat bereits viele Maßnahmen ergriffen, um Schritte in diese Richtung konstant weiterzugehen. Angefangen mit der Aufnahme des Kampfes gegen Antisemitismus in die Landesverfassung sowie der Einrichtung der Fachstelle Antisemitismus Brandenburg und zuletzt durch die Berufung eines Antisemitismusbeauftragten für das Land Brandenburg. Diese Maßnahmen müssen konsequent weitergeführt werden, damit sich Jüdinnen und Juden in Brandenburg sicher fühlen können.“

Der Bericht weist antisemitische Vorfälle in allen Teilen des Landes Brandenburg aus. Die meisten Vorfälle wurden im Jahr 2023 (55 Fälle) aus dem Landkreis Oberhavel gemeldet – dort befinden sich die KZ-Gedenkstätten Sachsenhausen und Ravensbrück, wo eine Vielzahl antisemitischer Vorfälle registriert werden. Es folgen Potsdam, Barnim, Cottbus und Märkisch Oderland. Somit ist die Prävention und Bekämpfung von Antisemitismus eine Aufgabe, die alle Landesteile gleichermaßen betrifft. Haase: „Hier braucht es enge Zusammenarbeit, gegenseitiges Vertrauen und ein klares Bekenntnis zu den hier lebenden Jüdinnen und Juden und für die Förderung jüdischen Lebens in unserem Land. Mit der Eröffnung des neuen Synagogenzentrums in Potsdam Anfang Juli hat die auch die Landesregierung ein klares Zeichen gesetzt, dass wir jüdisches Leben in Brandenburg stärker als bisher sichtbar machen wollen.“

Die Fachstelle Antisemitismus Brandenburg mit Sitz in Potsdam ist u.a. Anlauf- und Beratungsstelle für Betroffene von Antisemitismus. Sie nimmt antisemitische Fälle auf, wertet diese inhaltlich wie statistisch aus und bietet gemeinsam mit ihren Kooperationspartnern wie der Opferperspektive weiterführende Unterstützung an.

 

Monitoringbericht 2023

 

Pressemitteilung als PDF (application/pdf 256.5 KB)