Regierungserklärung von Ministerpräsident Dietmar Woidke auf der 80. Sitzung des Landtages Brandenburg (5. Wahlperiode)
29. August 2013
Hinweis: Es gilt das gesprochene Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident!
Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Bevor ich mit der Regierungserklärung beginne, gestatten Sie mir eine persönliche Bemerkung:
Am kommenden Sonntag begehen auch wir in Brandenburg den Antikriegstag und erinnern damit an den Einmarsch Hitlerdeutschlands in Polen und den Beginn des Zweiten Weltkriegs vor 74 Jahren. Das millionenfache Leid des Zweiten Weltkriegs ist für mich Anlass, heute Morgen den Blick nach Syrien zu wenden. Ich weiß um die Sorgen vieler Menschen in Brandenburg, und, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich teile diese Sorge. Die Weltgemeinschaft muss geschlossen nach ‚Wegen suchen, diesen fürchterlichen Bürgerkrieg zu beenden. Und sie muss nach Wegen suchen zu verhindern, dass in dieser Region ein neuer Flächenbrand entsteht, der unkontrollierbare Ausmaße annehmen kann.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem gestrigen Tag habe ich mein neues Amt als Ministerpräsident von Brandenburg angetreten. Ich weiß: Auf mich – wie auf uns alle – kommen in den kommenden Monaten und Jahren große Aufgaben zu. Aber ich weiß auch: Ich stehe im Dienste der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes, eines Landes, das in seiner noch jungen Geschichte schon sehr, sehr viel erreicht hat.
Wir feiern schon bald unseren 25. Geburtstag. Brandenburg ist damit im wahrsten Sinne des Wortes erwachsen geworden, und Brandenburg ist, meine sehr verehrten Damen und Herren, ein modernes Land.
Brandenburg ist stark. Brandenburg ist lebenswert. Brandenburg hat Zukunft. Und Brandenburg wird seinen Weg weiter gehen. Dass ich das alles heute hier so klar sagen kann, ist das Verdienst aller Brandenburgerinnen und Brandenburger, die unser Land gemeinsam aufgebaut haben. Aber es ist gerade auch das Verdienst meiner beiden Amtsvorgänger.
Manfred Stolpe und Matthias Platzeck waren außerordentliche Landesväter und sie waren außerordentliche Ministerpräsidenten. Der eine wie der andere, jeder auf seine eigene Art. Ohne Manfred Stolpe und Matthias Platzeck würde unser Land heute bei weitem nicht so gut und so stabil dastehen, wie es das tut.
Im Namen der gesamten Landesregierung danke ich heute unserem scheidenden Ministerpräsidenten Matthias Platzeck nochmals von ganzem Herzen für seine großartige Arbeit im Dienste unseres Landes.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Manfred Stolpe und Matthias Platzeck nachzufolgen bedeutet für mich eine sehr große Herausforderung. Diese Herausforderung nehme ich an - mit großem Respekt, mit großer Ernsthaftigkeit, mit einem guten Schuss Demut, aber auch mit Zuversicht und Optimismus.
Ich verspreche Ihnen und ich verspreche allen Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes: Ich werde ihnen mit ganzer Kraft dienen. Ich werde unserem Land mit gan-zer Kraft dienen.
Die Medien haben mich ja bereits als „Dr. Sachlich“ beschrieben. Das ist in Ordnung. Nach vielen Jahren als Abgeordneter, in zwei Ministerämtern sowie als Vorsitzender der SPD-Fraktion hier im Brandenburger Landtag kann ich gut mit diesem Image leben. Aber meine Damen und Herren: Sachlichkeit ist nicht alles. Sie alle kennen Max Webers berühmte Definition von Politik als dem „Bohren von harten Brettern mit Leidenschaft und Augenmaß zugleich“.
Seien Sie ganz sicher: Meine Leidenschaft für Brandenburg ist genauso groß wie das Augenmaß, das ich bei meiner politischen Arbeit angestrebt habe und natürlich auch in Zukunft anstreben werde. Augenmaß und Leidenschaft - beides gehört zusammen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir in Brandenburg haben Verhältnisse geschaffen, in denen es sich sehr gut leben lässt. Wir haben Vertrauen zueinander und im Ver-hältnis zwischen Bürgern und Staat erlangt. Und wir in Brandenburg haben eine gemeinsame Identität gefunden. Brandenburgs Bürgerinnen und Bürger sind stolz auf ihr Land und, liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist ein großes Kapital für uns.
Für die Herausforderungen, die vor uns liegen, sind wir gewappnet und das müssen wir auch sein, denn diese Herausforderungen werden beträchtlich sein und sie werden uns über viele Jahre begleiten.
Es geht um ganz zentrale Fragen:
- Es geht um den inneren Zusammenhalt unseres Landes.
- Es geht um den demografischen Umbruch.
- Es geht um die Energiewende und die Sicherung unseres Landes als Industriestandort.
- Es geht aber auch darum, wie wir Brandenburg als ein Land der guten, anständig bezahlten und sicheren Arbeit ausgestalten.
- Es geht darum, eine vorsorgende Gesellschafts- und Sozialpolitik zu betrei-ben, die nicht erst dann eingreift, wenn Entwicklungen bereits aus dem Ruder gelaufen sind.
- Und es geht um solide öffentliche Finanzen.
Es handelt sich hier, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, nicht um einmalig auftauchende oder gar schnell zu lösende Probleme, sondern es handelt sich hier um große strukturelle Aufgaben, die uns über Jahre hinaus beschäftigen werden. An der Lösung dieser zentralen Aufgaben für unser Land werden wir gemessen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, nicht Wenige haben die Brandenburger Große Koalition aus SPD und Linkspartei anfänglich mit Vorbehalten begleitet. Diese Vorbehalte sind gewichen.
Die rot-rote Regierungskoalition arbeitet intensiv und erfolgreich für unser Land. Gemeinsinn und Erneuerung - das Motto unseres Koalitionsvertrags - durchzieht wie ein roter Faden unsere Politik. Dabei wird es auch in den verbleibenden 13 Monaten dieser Legislaturperiode bleiben.
Sozialdemokratie und Linkspartei beweisen gerade hier in Brandenburg, dass es nach zwei Jahrzehnten Demokratie möglich ist, vertrauensvoll zusammenzuarbeiten. Zusammenzuarbeiten, ohne Vergangenes zu vergessen oder zu verdrängen, aber auch gemeinsam nach vorn zu blicken und die Probleme unseres Landes entschlossen anzugehen.
Gemeinsam haben wir dafür gesorgt, dass „gute Arbeit“ immer mehr zur Realität hier in unserem Land Brandenburg wird:
- Dafür steht unser Vergabegesetz. Die Landesregierung wird in Kürze einen Gesetzentwurf vorlegen, mit dem der bestehende Mindestlohn bei öffentlichen Aufträgen auf 8,50 Euro erhöht wird. Damit folgen wir dem Vorschlag der Mindestlohnkommission.
- Gute Arbeit heißt für uns auch: Unternehmen mit zu hoher Leiharbeiterquote sind von der Förderung im Rahmen der „Richtlinie Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ ausgenommen.
- Dafür steht auch der von der Landesregierung initiierte und vorangetriebene Dialog der Sozialpartner. Wir wollen und haben selbstbewusste Unternehmerinnen und Unternehmer und wir haben starke Gewerkschaften. Darum kann ich auch an dieser Stelle alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nur ausdrücklich aufrufen: Treten Sie in die Gewerkschaften ein! Und für alle Unternehmer gilt: Werden Sie Mitglied in den Arbeitgeberverbänden!
- Am Leitbild „guter Arbeit“ orientieren sich auch die von dieser Regierung verbesserten Integrationsmöglichkeiten für Langzeitarbeitslose und unser energischer Einsatz für einen bundesweit einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, jeder weiß: Bildung ist der Rohstoff, aus dem Wohlstand und Lebenschancen gemacht werden. Deshalb haben wir auf dem Gebiet der Bildung systematisch in Qualität und Chancengleichheit investiert:
- Wir haben den Betreuungsschlüssel in den Kitas verbessert und damit die Voraussetzung für 1000 zusätzliche Erzieherstellen geschaffen.
- Wir haben das Brandenburger Schüler-Bafög eingeführt, weil Bildung eben nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen darf und soziale Gerechtigkeit auch und vor allem Bildungsgerechtigkeit heißt.
- Wir haben rund 2.000 neue Lehrerinnen und Lehrer eingestellt – fast doppelt so viele wie wir 2009 zugesagt haben. Das bringt frischen Wind in die Klassenzimmer. Davon profitieren letztlich wir alle.
In diesem Zusammenhang sage ich hier klipp und klar: Meine Regierung wird für eine weitere Verbesserung an unseren Schulen sorgen. Wir erhöhen die Vertretungsreserve bei den Lehrern ab dem Frühjahr 2014 um 50 %, ohne dass es Abstriche an der Konsolidierung des Haushaltes geben wird. Damit werden die Schulen Unterrichtsausfall schneller und besser begegnen kön-nen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, das bedeutet immerhin 10 Millionen Euro ab dem Frühjahr 2014 mehr für Bildung in unserem Land. Dieses Geld ist gut angelegtes Geld.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben den Rahmen für eine lebendige Zivilge-sellschaft geschaffen, beispielsweise durch unsere systematische Förderung des bürgerschaftlichen Engagements, aber auch durch die Herabsetzung des Wahlalters bei Brandenburger Wahlen auf 16 Jahre. Gerade in dieser Entscheidung kommt zugleich die Wertschätzung zum Ausdruck, die diese Landesregierung den jungen Menschen in unserem Land entgegenbringt.
Sie sind das Kostbarste, was wir in Brandenburg haben. Ohne sie hätte Brandenburg keine Zukunft. Und wir werden durch gute Bildung jeden jungen Menschen so unterstützen, dass er seine Fähigkeiten und Begabungen voll entfalten kann.
Die Wahrheit ist: Jeder einzelne junge Mensch in unserem Land, der sich ein bisschen anstrengt, kann sich heute ziemlich sicher sein, gebraucht zu werden - jede einzelne junge Frau und jeder einzelne junge Mann.
Das ist auch deshalb so, weil sich die Wirtschaftslage in unserem Land in den vergangenen Jahren deutlich verbessert hat. Dies wiederum verdanken wir zuerst den vielen tüchtigen Unternehmern, unserem Mittelstand, den Handwerkern, den Handel- und Gewerbetreibenden hier im Land. Sie haben Arbeitsplätze geschaffen, sie halten unsere Wirtschaft unter Dampf.
Aber die Lage wird komplizierter: Im Schuljahr 1995/96 gab es in Brandenburg noch fast 34.000 Schulabgänger, inzwischen hat sich diese Zahl nahezu halbiert.
Daraus ergibt sich im Umkehrschluss eine sehr gute Nachricht: nämlich die, dass wir in Brandenburg im Prinzip jeder jungen Frau und jedem jungen Mann einen guten Arbeitsplatz bieten können. Es bedeutet, dass wir Lebens-, Berufs- und Aufstiegschancen für alle jungen Menschen bieten können. Was für ein Kontrast zu den hinter uns liegenden Jahren, vor allen Dingen in den 90er Jahren der Massenarbeitslosigkeit und der Perspektivlosigkeit!
Aber wenn wir gemeinsam auf der Erfolgsspur bleiben wollen, dann müssen wir wirklich jeden jungen Mann und jede junge Frau mitnehmen. Darum appelliere ich eindringlich an alle Unternehmen hier im Land: Schaffen Sie Ausbildungsplätze, wo immer Sie nur können!
Sie werden auch morgen, übermorgen und in zehn Jahren Arbeitskräfte benötigen. Die werden Sie aber nur dann bekommen, wenn Sie, liebe Unternehmerinnen und Unternehmer, jetzt vorsorgen!
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Alle unsere Maßnahmen auf den Feldern der Sozialpolitik, der Arbeitsmarktpolitik und der Bildungspolitik zielen auf das ab, was wir unter „Gemeinsinn“ verstehen – als Sinn für das gemeinsame Wohl aller Branden-burgerinnen und Brandenburger. Wir wollen ein starkes Brandenburg, an dem alle Menschen und alle Regionen dieses Landes teilhaben – ein starkes Brandenburg, das allen gemeinsam zugutekommt.
Neben „Gemeinsinn“ ist dafür „Erneuerung“ die zweite wichtige Grundlage. Und auch hier haben wir bereits gemeinsam Tatsachen geschaffen:
- Wir haben einen finanziellen Konsolidierungskurs eingeschlagen und, obwohl uns das kaum jemand zugetraut hätte, wir haben diesen Kurs beibehalten. Diese Regierung steht für eine verantwortungsvolle Finanzpolitik!
- Wir haben die wirtschaftliche Betätigung von Kommunen erleichtert – mit heftigen Debatten in diesem Haus. Daran kann ich mich noch gut erinnern. Und wir werden den kommunalen Finanzausgleich in der Weise neu regeln, dass die Solidarität zwischen ärmeren und reicheren Kommunen gewährleistet wird. Diese Regierung steht für eine solidarische Gesellschaft!
- Wir haben die Energiestrategie 2030 verabschiedet und Maßnahmen zur Sicherung unseres Bedarfs an Fachkräften ergriffen. Diese Regierung steht für eine vorausschauende Industrie- und Innovationspolitik!
Meine sehr verehrten Damen und Herren, klar ist: Meine Aufgabe wird es sein, dafür zu sorgen, dass wir unseren Koalitionsvertrag, unseren Koalitionsauftrag bis zum Herbst 2014 konsequent weiter erfüllen und uns natürlich auch den aktuellen Herausforderungen stellen.
Zu diesen aktuellen Herausforderungen zählt natürlich zuallererst das größte Infrastrukturprojekt für unsere Region und für ganz Ostdeutschland – der Flughafen BER. Es ist unbestreitbar: Die Zukunftsfähigkeit unseres Landes, unser Wohlstand und die Lebenschancen der Menschen in Brandenburg werden in den kommenden Jahrzehnten nicht zuletzt davon abhängen, dass in unserer Region ein moderner und leistungsstarker Flughafen existiert.
Matthias Platzeck hat sein Amt als Aufsichtsratsvorsitzender der Flughafengesellschaft mit Umsicht und Zielstrebigkeit ausgeführt. Ich habe mich entschlossen, ihm in dieser Funktion nicht nachzufolgen. Alleine die Einarbeitung würde viel Zeit kosten. Zeit, die dieses wichtige Projekt nicht mehr hat. Deshalb haben wir mit Staatssekretär Bretschneider einen versierten Kenner der Materie in den Aufsichtsrat ent-sandt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch die von mir geführte Landesregierung wird sich für mehr Nachtruhe am BER einsetzen. Entgegen anderslautenden, aber irre-führenden Aussagen können wir dies allerdings nicht alleine bewerkstelligen. Vielmehr verhandeln wir darüber mit den beiden anderen Gesellschaftern, die bekanntlich bei diesem Thema eine deutlich andere Position vertreten als wir hier in Brandenburg.
Wir verhandeln selbstverständlich auf der Grundlage des Landtagsbeschlusses und werden alles daran setzen, eine für alle Beteiligten tragfähige Lösung zu erreichen. Unser Ziel ist ganz klar mehr Nachtruhe.
In der Frage des Schallschutzes bin ich froh, dass sich die Flughafengesellschaft mit den Bürgermeistern mittlerweile geeinigt hat und auf die Bürgerinnen und Bürger zugeht. Jetzt, liebe Flughafengesellschaft, müssen den Worten aber auch Taten folgen. Das erwarten wir von Euch.
Weitere dringende Herausforderungen für dieses Land – und keine ganz neuen -sind die Hochwasser-Opferhilfe und die Vermeidung zukünftiger Hochwasserschäden.
Von Herzen bedanke ich mich im Namen der gesamten Landesregierung von dieser Stelle aus nochmals bei all jenen, die als couragierte Helfer dazu beigetragen haben, Schlimmeres für unser Land Brandenburg und seine Bewohnerinnen und Bewohner zu verhindern. Besonders danken möchte ich den ehrenamtlich im Katastrophenschutz Tätigen im THW, in den Feuerwehren, aber auch in vielen anderen Organisationen, die Herz und Rückgrat des Brandenburger Katastrophenschutzes waren und sind und dies auch 2013 erneut bewiesen haben. Das Ehrenamt, nicht nur im Katastrophenschutz, wird für unsere Landesregierung weiterhin eine herausgehobene Rolle spielen. Brandenburg lebt davon, Brandenburg lebt vom Ehrenamt.
Das Generationenprojekt Hochwasserschutz müssen und werden wir weiter voran-treiben. Wir werden weitere Polderflächen schaffen und unseren Flüssen damit mehr Raum geben. Wir werden aber auch die erforderlichen Deiche bauen, erneuern sowie ergänzen.
Brandenburg ist beim Hochwasserschutz schon jetzt Spitze. Aber – auch das hat das Jahr 2013 gezeigt - wir dürfen in unseren Anstrengungen in diesem Bereich keinen Augenblick lang nachlassen.
Ebenso wenig nachlassen dürfen wir in der entschiedenen Durchsetzung von Recht und Ordnung gegen alle Formen von Kriminalität und Gewalt. Besonders Grenzkri-minalität und Einbruchdiebstahl bekämpfen wir mit Nachdruck. Brandenburg ist ein sicheres Land für seine Bürger und Bürgerinnen. Dabei muss es bleiben, liebe Kolleginnen und Kollegen, und dabei wird es auch bleiben.
Wir werden in den Jahren 2013 und 2014 jeweils 240 junge Anwärterinnen und Anwärter an der Polizeischule Oranienburg aufnehmen. Das ist ein wichtiger Schritt für die Nachwuchssicherung der Brandenburger Polizei. Es wird nicht der letzte Schritt sein können, und wir werden 2014/15 die Ergebnisse der auf den Weg gebrachten Polizeireform kritisch evaluieren.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, stark sein, stark bleiben und da, wo es geht, noch stärker werden – das hat für Brandenburg zwei Komponenten: Stärke nach innen und Stärke nach außen.
Wir müssen im Bund und in Europa aktiv und konsequent für unsere gemeinsame Brandenburger Sache eintreten. Und wir müssen in Zukunft mehr denn je ein Land sein und unsere Kräfte auch hier im Land noch besser bündeln als bisher.
Dazu gehört auch, dass wir uns als Bürger aktiv an den Angelegenheiten unseres Gemeinwesens beteiligen. Deshalb möchte ich an dieser Stelle an alle Brandenbur-gerinnen und Brandenburger appellieren:
- Gehen Sie wählen!
- Machen Sie Gebrauch von Ihrem Recht auf demokratische Mitbestimmung!
- Geben Sie Ihre Stimme ab: bei der Bundestagswahl am 22. September, bei der Kommunalwahl, bei der Europawahl und auch bei den Landtagswahlen im kommenden Jahr!
Und: Entscheiden Sie in der Wahlkabine nach bestem Wissen und Gewissen - aber entscheiden Sie sich auf jeden Fall für die Kandidaten der demokratischen Parteien!
Hier im Brandenburger Landtag sitzen seit 2009 keine Rechtsextremisten mehr, weil die Wählerinnen und Wähler sie nicht mehr wollten. Das tut diesem Hohen Haus gut, und es tut dem ganzen Land Brandenburg gut.
Ein Land, ein Brandenburg - das heißt gleichberechtigtes Miteinander der Regionen.
Es ist ja bekannt: Ich stamme aus Forst in der Lausitz. Noch genauer gesagt: aus Naundorf bei Forst in der Lausitz. Da unten bin ich zu Hause. Dort ist meine Familie seit vielen Generationen ansässig.
Das Lebensgefühl und die Lebensumstände der Regionen unseres Landes, die fernab von Berlin liegen, kenne ich aus meinem heimischen Alltag sehr, sehr genau.
Aber die Perspektive unserer Landesteile rund um Berlin ist mir natürlich ebenfalls sehr gut vertraut.
Ich weiß, wie verschieden die Probleme ebenso wie die Wahrnehmungen der Probleme ausfallen können. Mir ist auch bewusst, wie gering zuweilen das Verständnis für die Sorgen und Interessen der jeweils anderen ausgeprägt sein kann. Zwischen zwei völlig unterschiedlichen Sichten legen manchmal weniger als 30 Minuten Autofahrt.
Beispielsweise beim Thema Energiepolitik und Energiewende lässt sich das besonders gut beobachten.
Als Ministerpräsident stehe ich ohne Wenn und Aber für das Prinzip des einen, des solidarischen und des zusammengehörigen Landes Brandenburg.
Mir ist zutiefst bewusst:
- Jede Region in Brandenburg verdient im gleichen Maße unsere Aufmerksamkeit.
- Jede Region hat auch mit ihren ganz eigenen Herausforderungen zu kämpfen.
- Jede Region besitzt ihre ganz spezifischen Stärken, die wir gemeinsam versuchen müssen, weiter zu stärken. Das gilt für unsere Gebiete mit industriellem und gewerblichem Schwerpunkt, aber ebenso sehr auch für unsere land-wirtschaftlich geprägten Gebiete. Gerade unsere leistungsfähige Landwirt-schaft bleibt für Brandenburg von herausragender Bedeutung
Vielfalt ist gut, Vielfalt ist richtig. Das moderne Brandenburg soll und muss ein Land der Vielfalt sein. Vielfalt bedeutet Stärke, Vielfalt bedeutet Leben. Bei uns soll jeder und jede nach eigener Fasson glücklich werden, liebe Kolleginnen und Kollegen. Dabei bleibt es.
Aber: Eines darf Brandenburg niemals werden: ein Land, in dem sich die Regionen und Bevölkerungsgruppen auseinanderleben. Ich sage mit vollem Ernst: Die Gründung und der Aufbau unseres Landes Brandenburg wären vergeblich gewesen, würden wir jetzt oder in Zukunft solche zentrifugalen Kräfte zulassen.
Die Landesregierung hat bereits vor langer Zeit erkannt, dass wir wirtschaftliche Leuchttürme auch in der Fläche brauchen. Und wir haben unsere Politik – besonders auf dem Gebiet der Wirtschaftsförderung – erfolgreich darauf abgestellt.
Auch der Weg, in Wissenschaft und Forschung zu investieren, war und ist richtig. Wir haben heute eine erfolgreiche Hochschullandschaft. Das Land und die an den Hochschulen Studierenden und Tätigen dürfen zu Recht darauf stolz sein.
Unsere erfolgreiche Wirtschaftspolitik werden wir fortsetzen. Wir werden Innovationen fördern, und wir werden unsere industrielle Basis weiter stärken.
Dabei kooperieren wir eng mit Berlin - gerade auf wirtschaftlichem Gebiet - und bil-den eine starke europäische Hauptstadtregion.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir arbeiten hart daran, dass unsere regionalen Wachstumskerne wirtschaftlich noch stärker auf ihr Umland abfärben. Und wir brau-chen die mittelgroßen Städte als Oberzentren der Gesundheitsversorgung, der Ver-waltung und auch der Bildung.
Nicht jede Kommune kann und muss alles leisten, aber wir brauchen eine flächen-deckende Versorgung in allen diesen Bereichen. Dafür wird sich die von mir geführte Landesregierung mit Nachdruck einsetzen.
Unsere Bevölkerung schrumpft – und ebenso schrumpfen die Mittel, die uns allen gemeinsam zur Verfügung stehen. Umso wichtiger ist es, dass wir den Wandel strategisch klug gestalten.
Darum ergreifen wir weitere innovative Maßnahmen auf dem Gebiet der Daseins-vorsorge. Beispielhaft nenne ich „Schwester Agnes“, den KombiBus oder das Rol-lende Bürgerbüro. Das sind Projekte, die zum Teil bereits bundesweit für Aufsehen sorgten und Nachahmer gefunden haben.
Überall in Brandenburg finden sich heute kulturelle und landschaftliche Highlights, die wiederaufgebaut oder erhalten worden sind. Vor allem aber finden sich quer durch unser Land Städte, die in den letzten zwei Jahrzehnten ganz maßgeblich an Substanz gewonnen haben – als kultureller und ästhetischer Lebensraum und als Motoren wirtschaftlicher Entwicklung.
Wir sind ein Land des Sports und der Kultur, beides macht unser Land attraktiv, schafft Zusammenhalt und Identität.
Ich bin mir ganz sicher: In der Summe vieler intelligenter Ideen und durchdachter Strukturentscheidungen kommen wir am Ende weiter.
Ein Beispiel für innovativen Interessenausgleich ist übrigens die Einigung, die Fi-nanzminister Markov und ich jüngst mit den Gewerkschaften getroffen haben. Sie betrifft die Teilübernahme des Tarifabschlusses für die Beamtenschaft und zugleich zahlreiche Maßnahmen, um besonders belastete Berufsgruppen wie Polizisten oder Lehrer zu entlasten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieses Paket ist im Ländervergleich vorbildlich und zukunftsweisend. Vielen Dank an dieser Stelle an die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes für die guten und konstruktiven Gespräche!
Liebe Kolleginnen und Kollegen, insgesamt spüre ich mittlerweile, wie in unserem Land das Verständnis dafür wächst, dass wir alle unsere Ansprüche an die demo-grafische und finanzielle Situation des Landes anpassen müssen.
Dabei geht es nicht um das Geld der Landesregierung oder um das Geld der Landesverwaltung - es geht um das Geld des gesamten Landes. Es geht um das Geld der Bürger unseres Landes. Mit diesem Geld müssen wir verantwortungsbewusst umgehen. Angesichts sinkender Einnahmen besteht dazu schlicht keine vernünftige Alternative.
Deshalb bin ich stolz darauf, dass diese Landesregierung bereits in den letzten bei-den Jahren keine neuen Schulden mehr aufgenommen hat. Den Weg der Konsoli-dierung werden wir auch weiterhin mit aller Entschiedenheit gehen.
Auf dem Weg unserer finanziellen Konsolidierung stehen wir auch bundesweit vor wichtigen Weichenstellungen. Das föderale Finanzsystem steht auf dem Prüfstand. Eine Reform des Länderfinanzausgleichs - wie Sie alle wissen - wird derzeit heftig diskutiert.
Von allen diesen Fragen wird Brandenburg maßgeblich betroffen sein. Darum werden wir uns aktiv und konstruktiv an der Entscheidungsfindung beteiligen.
Das gleiche, liebe Kolleginnen und Kollegen, gilt für die Energiewende. In ihrer von der gegenwärtigen Bundesregierung betriebenen Form ist sie schlichtweg geschei-tert. Hier muss es nach der Bundestagswahl einen grundlegend neuen Anlauf geben.
Dabei ist hier natürlich zuallererst der Bund am Zug, aber das Energieland Brandenburg wird sich mit seinen Interessen und seiner Expertise selbstverständlich konstruktiv in diese Diskussion einbringen.
Wir müssen und wollen den Ausbau der Erneuerbaren Energie weiter vorantreiben. Aber noch sind wir auf konventionelle Energieträger als Brückentechnologie angewiesen. Das ändert nichts daran, dass wir an den in der Energiestrategie 2030 be-kräftigten hohen klimapolitischen Zielstellungen festhalten.
In der Koalitionsvereinbarung unserer beiden Regierungsparteien heißt es dazu: „Braunkohle-Nutzung in Deutschland ist solange erforderlich, bis der Industriestandort Deutschland seinen Energiebedarf sicher und zu international wettbewerbsfähigen Preisen aus Erneuerbaren Energien decken kann.“
Genau so, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist es. Diese Position ist politisch klug und ökonomisch vernünftig. Ich hänge also nicht etwa verklärt an der Braunkohle, weil ich aus der Lausitz komme. Sondern ich halte die Braunkohle bis auf Weiteres für einen unverzichtbaren Energieträger, wenn wir in Deutschland nach dem Ausstieg aus der Atomenergie auch weiterhin eine verlässliche und bezahlbare Energieversorgung sicherstellen wollen. Und das, liebe Kolleginnen und Kollegen, müssen wir.
Auch im Bundesrat werden wir uns weiterhin aktiv für unsere Belange einsetzen. Die Möglichkeiten der Landesregierung, auch im Bund erfolgreich Politik für unser Land zu machen, haben sich angesichts neuen Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat deutlich verbessert. Diese Mehrheitsverhältnisse werden auch nach dem 22. September weiter bestehen.
Unbedingt am Ball bleiben müssen wir auch im Verhältnis zu unseren Nachbarn: zu Berlin, zu Europa, zur Welt jenseits unserer Landesgrenzen schlechthin.
Vor allem in der in der Zusammenarbeit mit Polen haben meine beiden Amtsvor-gänger Vorbildliches geleistet. Ich bin einige Hundert Meter westlich der polnischen Grenze aufgewachsen. Ein enges und freundschaftliches Verhältnis zu unseren Nachbarinnen und Nachbarn liegt mir schon deshalb ganz besonders am Herzen. Insofern werde ich auch an dieser Stelle genauso intensiv wie es Manfred Stolpe und Matthias Platzeck getan haben, weitermachen.
Ich freue mich ganz besonders, dass ich Mitte Oktober anlässlich des Festaktes „10 Jahre Partnerschaft Brandenburg – Großpolen“ unser Nachbarland besuchen darf.
Aber auch insgesamt, liebe Kolleginnen und Kollegen, muss Brandenburg noch internationaler werden. Wir müssen uns klarmachen: Brandenburg liegt mittendrin im neuen, nach Osten erweiterten Europa. Gerade unsere geografische Lage an der Schnittstelle zum ökonomisch aufstrebenden „neuen Osten“ eröffnet uns Chancen und Möglichkeiten, die wir nicht nur wahrnehmen sollten, sondern aus meiner Sicht auch unbedingt wahrnehmen müssen.
Die geringe Exportquote unserer Wirtschaft war zwar in der Krise hilfreich, weil wir nicht so stark eingebrochen sind wie andere Bundesländer. Jetzt aber bremst sie den Aufschwung bei uns im Land. Auch an diesen Stellen, liebe Kolleginnen und Kollegen, müssen wir systematisch weiterarbeiten.
Brandenburg hat in der Vergangenheit maßgeblich von Europa profitiert. Brandenburg kann in Zukunft von Europa profitieren und Brandenburg wird auch in Zukunft von Europa profitieren. Die von mir geführte Landesregierung wird die aktive Politik gegenüber Brüssel fortsetzen. Das betrifft nicht zuletzt die Frage der Mittelverteilung für die neue EU-Förderperiode. Um den Jahreswechsel 2013/14 werden wir eine Internationalisierungsstrategie vorlegen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, über zwei Jahrzehnte haben vor allem junge, gut ausgebildete, tatendurstige und optimistische Menschen Brandenburg verlassen. Neuerdings kehren viele von ihnen nach Brandenburg zurück. Sie sehen wieder eine Zukunft, eine Zukunft hier bei uns im Land Brandenburg. Sie sehen, dass hier bei uns ein dynamisches Land mit guten Lebensbedingungen entstanden ist. Und zudem sehnen sie sich teilweise – auch das ist die Wahrheit - nach Identität und Heimat.
Natürlich, wir brauchen diese Rückkehrer als Fachkräfte. Wir brauchen auch möglichst viel von all den anderen Menschen, die hier bei uns in Brandenburg eine neue Heimat finden. Aber das ist noch nicht einmal das Entscheidende. Entscheidend ist: Alle diese Rückkehrer und auch die Neubrandenburger zeigen uns, dass wir gemeinsam auf dem richtigen Weg sind. Sonst würden sie nicht zu uns kommen. Sorgen wir also gemeinsam dafür, dass sie sich hier so wohlfühlen, um auch hierzubleiben!
Unser Weg für Brandenburg, das ist Stärke durch Gemeinsinn, Stärke durch Erneu-erung, durch Zusammenhalt, durch Solidarität, durch soziale Gerechtigkeit und durch Toleranz.
Die Selbstverständlichkeit mit der die Brandenburgerinnen und Brandenburger füreinander da sind, sucht Ihresgleichen. Erst in diesem Sommer wieder hat das Hochwasser gezeigt, wie überwältigend der gelebte Gemeinsinn in unserem Land Brandenburg ist. Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieser Gemeinsinn macht viel Mut für die Meisterung der Schwierigkeiten in der Zukunft.
Dem Brandenburger Landtag gehöre ich seit nunmehr fast zwei Jahrzehnten an. Wir haben in diesem Parlament schwierige Debatten geführt, wir haben heftig gestritten und wir haben um die beste Lösung für unser Land miteinander gerungen – natürlich im übertragenen Sinne in Wortgefechten.
Heute wünsche ich mir, dass wir gemeinsam alles daran setzen, unser Land weiter voranzubringen. Und zwar mit Leidenschaft und Augenmaß sowie mit guter und kollegialer Zusammenarbeit im Brandenburger Landtag. Liebe Kolleginnen und Kollegen, dazu reiche ich Ihnen meine Hand.
Ich danke Ihnen allen für die Aufmerksamkeit.