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Im Stadtarchiv geforscht: Wir sind etwas Besseres – von den Bewohnern der Schloßfreiheit (Archiv)

Die ehemalige Schwedter Schloßfreiheit – jetzt unsere Lindenallee – war und ist die Magistrale der Stadt. Sie sollte bei ihrer Anlage am Ende des 17. Jahrhunderts der Berliner Straße unter den Linden ähneln und übertrifft diese sogar in der Breite. Ursprünglich mit kleinen und gleichmäßigen, sogenannten Kavaliershäusern bebaut, wurde sie bald durch Aufstockungen, Um- und Neubauten verändert.

Foto: Schloßfreiheit
Die ehemalige Schloßfreiheit heißt jetzt Lindenallee.

Die Bewohner der Schloßfreiheit fühlten sich nun als etwas Besseres. Dazu trug maßgeblich bei, dass sie mit wichtigen Vorrechten ausgestattet waren. Die Bezeichnung „Schloßfreiheit“, der die in vielen anderen Städten zu besichtigende Burg- oder Domfreiheit entspricht, liegt darin begründet, dass der Platz vor dem Schloss für Hofbeamtenwohnungen frei gehalten wurde. Die Bewohner dieser „Freihäuser" standen nicht unter der Verwaltung und Gerichtsbarkeit der Stadt. Sie mussten keine öffentlichen Abgaben zahlen und waren von den Einquartierungen von Soldaten bei Kriegsbesatzungen oder größeren Manövern befreit. Sie unterstanden direkt der markgräflichen Verwaltungsbehörde, der Amts- und Justizkammer, und später der königlichen Domänenkammer. Sie durften Bier brauen, und zwar nicht nur für ihren eigenen Gebrauch, sondern auch für den Verkauf über die Straße. Ferner erhielten sie kostenlos Bau- und Brennholz. Daneben war natürlich das Wohnen in der Schwedter Prachtstraße, die vom Stadtschloss zum Lustschlösschen Monplaisir führte, ein Privileg für sich.

Die Schwedter Markgrafen waren sehr darauf bedacht, nur Ihnen angenehme Leute in der Schloßfreiheit wohnen zu lassen. Sie besaßen auch das Vorkaufsrecht. Nicht nur als Einquartierung war militärisches Personal auf der Schloßfreiheit nicht erwünscht, auch als Mieter oder Besitzer eines Hauses wurde kein Offizier oder sonstiger Regimentsangehöriger geduldet. Dies zeigt das Beispiel des markgräflichen Kammerdieners und Küchenmeisters Plantiers, der sein Freihaus mit Garten 1775 an den Regimentsarzt Jaedicke des in Schwedt stationierten Dragoner-Regiments Nr. 1 für 825 Kuranttaler1 verkaufen wollte. Markgraf Friedrich Heinrich, kunstsinnig und ein Feind des Militärs, lehnte mit der Begründung: „Vom Regiment kann keiner auf der Freiheit wohnen noch ein Haus kaufen" rigoros ab. Das Haus ging an den Sekretär des Markgrafen, an Carl Friedrich Herzter.

Nach dem Aussterben der Schwedter Markgrafen wurde es gemütlicher auf der Schloßfreiheit. Hatte doch Markgraf Friedrich Wilhelm streng darauf geachtet, dass sich kein Müßiggänger auf der Straße aufhielt, oder eine etwas gelangweilte Hausfrau neugierig aus dem Fenster sah. Jetzt saßen Bürger und Bürgerinnen im Sommer auf gepflegten Rasenflächen gern vor ihrem Haus, durch Kübelpflanzen vor allzu gierigen Blicken geschützt. Die Damen fühlten sich von den Grüßen des vorbei reitenden Militärs der Garnison geschmeichelt und wurden oft allgemein mit „Frau Rat" angeredet, da sich zu damaliger Zeit noch eine Vielzahl von Beamten, wie Kriegs-, Domänen- und Forsträte sowie Justiz-, Hof- und Geheimräte, in Schwedt aufhielten. Auch war es üblich, als Frau mit dem beruflichen Titel des Mannes angeredet zu werden.

In diesem Schwedter Biedermeieridyll erzeugte eine Polizeiordnung aus dem Jahr 1812, die nach der neuen Steinschen Städteordnung in Kraft trat, einige Irritationen unter den vornehmen Bewohnern der Schloßfreiheit. Jetzt sollte jedes Haus der Stadt mit einer Nummer versehen werden. Die Zählung begann am Rathaus mit der Nummer Eins. Dann nummerierte man hintereinander sämtliche Häuser der Stadt bis zur Nummer 323, dem Gerickeschen Budenhaus in der Rittergasse, die heute als solche wieder ausgeschildert ist.

Die Besitzer der Häuser auf der Schloßfreiheit unterstanden der Königlichen Domänenkammer, hatten also im Prinzip mit der Kommune nichts zu schaffen. Jetzt mussten sie zusehen, dass ihre Häuser wie die aller anderen Bürger ohne Unterschied mit Nummern versehen wurden. Ihre Gebäude zählte man fortlaufend zwischen den Häusern der damaligen Schloss- und der Präsidentenstraße. Das, so dachten sie, geht wohl nicht an. In einem Schreiben vom 22. März 1812 an den Magistrat der Stadt protestierten sie also dagegen. Sie würden jedoch bereit sein, falls die Zählung unumgänglich wäre, ihre auf der Schloßfreiheit gelegenen zwanzig Häuser mit eigenen, von eins bis zwanzig laufenden Nummern, bezeichnen zu lassen. Dieser Protest nutzte nicht. In Preußen begann eine neue Zeit der Verwaltung. Unterzeichner dieses Schreibens waren unter anderen der Tabakfabrikant Jacob (Jacques) Abraham Harlan, Senator Endell, General von Osten – jetzt durfte auch Militär auf der Schloßfreiheit wohnen – und der Kaufmann Kallenbach, der später das prächtige Haus von Jacob Abraham Harlan erwarb und dieses bei seinem Konkurs 1837 für 7.433 Reichstaler verkaufen musste. Es wurde Sitz der Schwedter Hagel- und Feuerversicherungsgesellschaft.

Rosemaria Zillmann
im Auftrag des Fachbereiches Bildung, Jugend, Kultur und Sport

Veröffentlichung im Amtsblatt für die Stadt Schwedt/Oder „Schwedter Rathausfenster“ vom 10. Oktober 2007